Kein Vorhang muss geöffnet werden, wenn ein nachdenklicher Mann in einem langen Mantel auf die Bühne schreitet und das Publikum mitnimmt in seine Gedanken zu Migration. Er will uns eine Geschichte erzählen, jene vierer Geflüchteter, die 2015 wie so viele andere Europa und vor allem Deutschland als einen Ort des Schutzes aufsuchten, „eine Geschichte des Ankommens, Aufnehmens, Ablehnens, vom Versuchen, Gelingen, Scheitern“, wie er selbst es formuliert . Schnell wird dabei klar, dass es mehr als die Geschichten der 4 Frauen und Männer aus Syrien, Eritrea, Iran und Afghanistan sind, die versuchen, in diesem ihnen fremden Land ihr Leben weiterzuführen, neu zu beginnen. Es ist unser aller Geschichte, die der Bundesrepublik Deutschland der letzten Jahre, ein chronistisch anmutendes Porträt unseres sozialen Jetzt.
Und doch bleibt es immer auch die Geschichte der Einzelnen, ihrer Begegnungen, der sich bewegenden Leben. Die Geschichte Miriams und Yousefs, die sich in der Flüchtlingsunterkunft verlieben, deren gemeinsamer Weg jedoch durch Yousefs rückschlagsreichen Kampf um eine Aufenthaltserlaubnis auf die Probe gestellt wird. Die der alleinerziehenden Lehrerin Renate und des jungen Afghanen Pourang, den sie bei sich auf- und wie einen Sohn annimmt, bis sie durch einen Schicksalsschlag ins Zweifeln gerät. Die des sozial abgehängten Richards, dessen Weltbild durch den Einzug der Eritreerin Senait in die Nachbarwohnung ins Wanken gerät. Die der Journalistin Fehrenbach, die im Kampf zwischen den Gesetzen des Medienmarkts und Fake News, zwischen Auflagen und integrem Journalismus auch ein narratives Gegenstück zum Erzähler bildet. Und schließlich auch die jedes Einzelnen von uns, der Bewohner eines sich fragwürdig wandelnden Landes, Kontinents, die gerade auch Zuschauer jenes Theaterstücks sind. Doch wer lässt sich die eigene Geschichte schon gern erzählen?
Es ist ein vielschichtiges Porträt um eine der zentralen Fragen unserer Zeit, die der Migration, das der Autor Stephan Rixecker entworfen hat und das vom Regieteam um Markus Müller und ihn mit viel Dynamik auf die Bühne gebracht wird. Der Blick dabei ist aufmerksam, bleibt neutral bei den sich blitzlichtartig verdichtenden Handlungssträngen, doch stets auf das Wesentliche gerichtet: in all den guten und schlechten Ereignissen nicht das zu verlieren, worum es geht – den Menschen.